„Ich wollte nie Ritalin geben, aber meinem Kind geht es damit besser.”

„Ich bin Mama von zwei Jungs, der Große ist 11 Jahre und der Kleine wird bald 8 Jahre alt. Vorweg möchte ich erzählen, dass ich zwei Kaiserschnittgeburten hatte, mein Körper produziert keine Wehen.

Einer meiner Söhne, ich nenne ihn hier Lukas, kam mit einem Gewicht von über 4000 Gramm zur Welt. An Tag 2 nach seiner Geburt wurden bei ihm Streptokokken festgestellt, so begann sein kleines Leben auf der Intensivstation einer Klinik.

Lukas schlief viel, trank ordentlich seine Milch und war ansonsten ganz vorbildlich.

Doch nach einigen Wochen bemerkte ich, dass er sich abends, wenn ich ihn zum Schlafengehen vorbereiten wollte, immer total fest schrie. Und je mehr ich versuchte, mit ihm zu reden oder zu singen oder Spieluhren einschaltete, desto mehr schrie er. Das Erstaunliche: Sobald ich ihn im Bett ablegte, wurde er friedlich und schlief bis zu sechs Stunden am Stück.

Tagsüber war Lukas sehr agil. Er konnte mit sechs Wochen schon sein Köpfchen aus der Bauchlage heben, übersprang im weiteren Verlauf ganze Entwicklungssprünge, machte die ersten Schritte schon mit ca. acht Monaten. Fortan wollte er die Welt auf Füßen erkunden, gekrabbelt ist er nur selten.

Mit 14 Monaten kam er in die Krippe, in einen kleinen Kindergarten.

Die Eingewöhnung verlief ohne Probleme, er beachtete mich kaum, sobald er im Raum der Gruppe spielte. Gleichzeitig begannen von da an die Probleme: Er sorgte für Unruhe und konnte mit anderen Kindern nicht ins Spiel finden. Alle 5 Minuten war er woanders und spielte am liebsten draußen.

Kurz vor seinem dritten Geburtstag wechselte er in die Kita-Gruppe – ab da wurde es wirklich schwierig. Er zerstörte Spiele der anderen Kinder, ging zum Teil sehr grob mit ihnen um, zerbrach Spielzeug und beschmiss Kinder und Erzieher mit Steinen. Alles wurde mit vollem Körpereinsatz und maximalem Kraftaufwand erledigt. Mit dreieinhalb Jahren stellten wir ihn auf Anraten der Kita in einem Sozialpädiatrischen Zentrum vor.

Die vorläufige Diagnose lautete ADHS, extreme Impulsivität und wenig Empathievermögen.

Wir wechselten in eine Kita, in der ausgebildete Sonderpädagogen sich seiner annahmen, und das klappte ein Jahr lang relativ gut mit ihm. Bis seine Erzieherin plötzlich krank war und ihren Beruf nicht weiter ausführen konnte. Die Vertretung wurde massiv von Lukas geärgert, die anderen Kinder von ihm gehauen und getreten. Kurz vor der Einschulung wurde er deswegen aus der Kita geschmissen und blieb danach zuhause.

Dann wechselte ich den Arbeitgeber und Lukas kam zur Schule. Das erste halbe Jahr war die Hölle für uns alle: Mein Kind schlug, trat und ärgerte seine Mitschüler. Er schrie, wenn er fand, dass er ungerecht behandelt wurde und hatte Probleme mit dem Schreiben. Die Hausaufgaben verweigerte er.

Unsere Rettung war ein Termin bei einem Psychiater.

Danach bekam Lukas Ritalin verschrieben und es wurde viel besser für ihn in der Schule. Bevor er die Tabletten bekam, habe ich mich lange gesträubt ihm das ‚anzutun‘. Aber inzwischen bin ich dankbar, dass das Ritalin ihm hilft, sich zu konzentrieren. Es ist immer mal wieder schwierig, aber längst nicht mehr so anstrengend wie zu Beginn der Schulzeit.

Ich hoffe, dass wir auch die Pubertät gut meistern, damit Lukas später eine tolle Ausbildung machen kann.

Wir gehen alle vier Wochen zum Psychiater und dort wird regelmäßig kontrolliert, wie es Lukas mit den Medikamenten geht und, ob das alles noch richtig für ihn ist.

Für alle Mamas, die Bedenken haben, ihrem Kind Ritalin zu geben: Ich verstehe euch und ich habe echt lange mit mir gerungen, aber es war eine Hilfe für uns und vor allem für mein Kind. Trotz allem hoffe ich, dass er eines Tages die Medikamente nicht mehr nehmen muss.”


Liebe Mama (Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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Kitty
Kitty
1 Jahr zuvor

Die Geschichte hat mich sehr berührt, weil ich meinen Sohn ihn vielen Punkten wiedererkenne, bloß dass er trotz mehrmaligen Besuchen bei einer Psychologin die Diagnose erst mit 7 Jahren bekam und ich durch meine eigene Sturheit und viele Vorurteile noch bis er 11 war versuchte, ob es nicht doch ohne Medikamente geht. Dadurch habe ich ihm das Leben aus heutiger Sicht unnötig schwer gemacht. Natürlich sollte man mit dem nötigen Respekt an starke Medikamente herangehen, sich bzw. das Kind jahrelang zu quälen ist aber auch nicht zielführend. Hut ab an die Autorin, dass sie es schneller als ich geschafft hat, über ihren eigenen Schatten zu springen.
Mittlerweile hat mein Sohn die Schule abgeschlossen und im November seine Traumausbildung als Programmierer begonnen. Die Arbeit macht ihm riesigen Spaß und in der Berufsschule schreibt er sehr gute Noten. Die Tabletten nimmt er mittlerweile nur noch bei Bedarf an besonders anstrengenden Schultagen, wo ihm sonst wirklich die Konzentration fehlen würde. Zwischenzeitlich hatte er 2 Jahre nichts eingenommen, weil er es ohne versuchen wollte. In der Arbeit kommt er problemlos ohne die Tabletten aus. Vielleicht nimmt das alles der Autorin die eine oder andere Sorge in Bezug auf die Zukunft ihres Sohnes. ADHS ist kein Grund, seine Träume nicht zu verwirklichen!