Die Leere füllen: „So bleibe ich mit meinem Sternenkind verbunden.“

„Ich kann und will nicht ohne mein Baby leben, das war mein erster Gedanken, als diese starre, schwere Ohnmacht meinem Kopf wieder erlaubte, ein klein wenig zu denken. So viel Schmerz, Hilflosigkeit, Traurigkeit – so viele Gefühle, die mich beherrschten und das inmitten einer unbeschreiblichen Leere.

Meine Welt stand still.

Der Tod unserer Tochter Tilda in der 32. Schwangerschaftswoche hat mein mir bisher bekanntes Leben abrupt, ohne Vorwarnung, beendet. Als wär unser Leben, unsere Zukunft durch ein Feuer ausgelöscht worden. Ich war diesem unfassbaren Ereignis, das sich für mich wie ein unvorhersehbarer Gewaltakt anfühlte, einfach nur ausgeliefert. Es war mir nicht möglich, das alles zu verstehen.

Und so habe ich, ein sonst eher strukturierter Kopfmensch, einfach das Verstehenwollen sein lassen und habe mich ‚kopflos‘ meinen Gefühlen hingegeben. Ich habe meine Emotionen so intensiv gelebt, dass ich mich auf unbestimmte Zeit darin aufgelöst habe.

Und inmitten dieses aufgelösten Treibens war es die Liebe, die mir Kraft gegeben hat.

Die Liebe zu meiner Tochter. Ich habe gelernt, den Schmerz, aber auch die tiefe Verbundenheit zu meiner Tochter zu benennen und Ausdrucksformen dafür zu finden. Anfangs, um den vielen gegensätzlichen Gefühlen Raum zu geben und um das Unfassbare auszudrücken. Dann, um gemeinsam mit meinem Mann das anzunehmen und anzuerkennen, was unser Leben so sehr verändert hat: den Tod und die Liebe zu unserer süßen Tochter und vor allem uns als Sternenkind-Familie.

Gemeinsam haben wir uns von der Liebe leiten lassen und Tilda einen sichtbaren Platz in unserer Familie gegeben. Begonnen haben wir damit, Fotos von ihr in unserer Wohnung aufzuhängen. Nach und nach haben wir Symbole und Rituale gefunden, um unserer Liebe zu unserer Tochter im Alltag und bei besonderen Ereignissen Ausdruck zu verleihen.

Wir haben die verbrannte Erde bepflanzt und die schmerzvolle Leere wurde dadurch tatsächlich Stück für Stück weniger.

Ich habe zum Beispiel eines Tages damit angefangen, den Namen von Tilda in Steine zu gravieren. Der Wunsch etwas Greifbares von Tilda bei mir zu haben, hat mich dazu inspiriert. Und so trage ich immer einen Stein mit ihrem Namen bei mir, um diesen dann bewusst an Orte zu legen, an denen meine Sehnsucht zu Liebe wird.

Und wir reden über sie – viel – so wie Mamas und Papas das eben machen. So wurde Tilda auch für Andere – vor allem für unsere Familie und Freunde – sichtbar und greifbar. Denn der Tod von Tilda war auch für sie eine außergewöhnliche Herausforderung: Wie trauert man um jemanden, den man nie gespürt, gesehen oder gehalten hat?

Und auch sie haben sich eingelassen auf die Liebe zu unserer Tochter.

Sie haben sich nicht nur an unseren Ritualen beteiligt, sie haben auch eigene, ganz persönliche Ausdrucksformen gefunden. Auch Familie und Freunde haben Tilda in ihr Herz gelassen und wurden so zu Omas, Opas, Tanten, Onkeln, PatInnen… sie wurden mit uns zu einer Sternenkind-Familie.

Unser Annehmen der Liebe hat mir auch geholfen, der Sprach- und Hilflosigkeit von Bekannten, Kollegen oder Nachbarn zu begegnen. Denn leider gingen viele Menschen davon aus, dass das Schweigen über den Tod unseres Babys passend wäre – in der gut gemeinten Annahme, dass wir so nicht noch mehr leiden müssen. Dieses Schweigen gab mir aber viel mehr das Gefühl, als wären weder mein Schmerz noch mein totes Baby real. Deswegen habe ich es gebrochen.

Ich habe Wege gefunden, um mit Tilda verbunden zu sein.

So bin ich zu einer unendlich liebenden und stolzen Sternenkind-Mama geworden, denn wie so viele andere habe ich ein Recht darauf. Deshalb habe ich auch gemeinsam mit einer anderen Sternenkind-Mama das liebevoll illustrierte Familienbuch ‚Leben mit unserem Sternenkind‘ (Affiliate Link)) veröffentlicht. Darin stelle ich auch die Rituale vor, die meiner Familie und mir dabei helfen, Tilda einen Platz zu geben.

Aktuell lesen wir der kleinen Schwester von Tilda besonders gerne aus dem Buch vor, damit auch sie ihre große Sternenschwester kennenlernt. Außerdem werden Familien, Angehörige und Begleitpersonen dazu eingeladen, in sich hinein zu spüren und eigene Wege der Trauerbewältigung zu finden.

Der Tod unserer süßen Tochter macht mich nach wie vor tieftraurig.

Doch ich bin auch unendlich liebend dankbar, dass Tilda ein so wundervoller Teil unseres Lebens und unserer Familie ist. Für mich ist deswegen eine Herzensangelegenheit, Familien zu ermutigen, ihre Sternenkinder sichtbar zu machen und ihnen einen Platz in ihrer Familie zu geben, damit auch sie mit ihnen und nicht ohne sie weiterleben.“


Vielen Dank, liebe Nicole, dass du uns deine Geschichte erzählt hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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