„Ich hatte keine Ahnung, wie sehr man jemanden lieben kann, den man schon vermisst.“

Seid ehrlich: Hattet ihr eine Ahnung davon, was es bedeutet, Mama zu werden, und wie sehr ihr einen Menschen lieben könnt? Sogar noch bevor ihr euer Kind in den Armen hieltet? Genau so wenig kann man sich wahrscheinlich vorstellen, wie es sich anfühlt, dieses Kind zu verlieren, wenn man es nicht selbst erlebt hat.

Auch nahe Verwandte, beste Freunde oder Bekannte haben keine Vorstellung davon, was eine Mutter gerade durchmacht und wahrscheinlich ihr Leben lang durchmachen wird, wenn sie ein Kind verloren hat. Völlig egal, ob es schon auf der Welt war, oder es noch im Bauch gestorben ist.
Sie wissen oft nicht, wie sie reagieren, was sie sagen sollen. Manche finden die Dauer oder Art der Trauer einer Mutter vielleicht sogar unangebracht oder übertrieben. Vielen ist es unangenehm, Eltern, die ein Kind verloren haben, zu treffen. Über dieses Gefühl schreibt die amerikanische Mutter und Bloggerin Rachel Whalen in in einem bewegenden Facebook-Post:

„Wenn ich erwähne, dass meine Tochter gestorben ist, höre ich oft ein erschrockenes, „Oh, das tut mit leid, das wusste ich nicht!“, schreibt sie. „Innerlich muss ich dann schmunzeln, denn es erinnert mich an alles, von dem ich keine Ahnung hatte, bevor mein Baby starb.“

Was folgt, ist eine Auflistung, die zu Tränen rührt:

„Ich hatte vorher keine Ahnung, dass es möglich ist, ein totes Baby zu gebären.

Ich hatte keine Ahnung, dass das Leben enden kann, bevor es beginnt.

Ich hatte keine Ahnung, dass man sein Baby im Arm halten kann, nachdem es gestorben ist.
Ich hatte keine Ahnung, wie sehr man jemanden lieben kann, den man schon vermisst.“

Auch und gerade die kleinen, banalen Dinge, machen ihren Schmerz besonders deutlich:

„Ich hatte keine Ahnung, dass es so kleine Mützchen gibt.

Ich hatte keine Ahnung, wie schwer es sein würde, meine Tochter mit der Krankenschwester gehen zu lassen, und zu wissen, dass ich sie nie wiedersehen würde.

Ich hatte keine Ahnung, wie viel Papierkram es mit sich bringt, zu entscheiden, wie dein Kind beerdigt werden soll.
Ich hatte keine Ahnung, wie es sich anfühlt, das Krankenhaus mit einer Schachtel voller Erinnerungen zu verlassen. Anstatt mit einem Baby.

Ich hatte keine Ahnung, dass ein Baby eine Todesurkunde bekommen kann, ohne jemals eine Geburtsurkunde zu haben.
Ich hatte keine Ahnung, dass es so kleine Urnen gibt.
Ich wusste nicht, dass es so viele verschiedene Beileidskarten gibt.“

Zum Ende ihrer Aufzählung wird immer deutlicher, auf wie viel Unverständnis sie seit der Geburt ihres Sternkindes gestoßen sein muss:

„Ich hatte keine Ahnung, wie unwohl sich andere Menschen durch meine Geschichte fühlen würden.
Ich hatte keine Ahnung, dass es so viele Ausreden gibt, um eine Person nicht treffen zu müssen, die ihr Baby verloren hat.“

In den letzten Zeilen spürt man ihr gebrochenes Mama-Herz ganz besonders:

„Ich hatte keine Ahnung, wie viel eine einzige Person weinen kann.
Ich hatte keine Ahnung, dass es möglich sein würde, weiterzuleben, wenn es sich anfühlt, als sei das Leben längst vorbei.

Es gab so viel von dem ich keine Ahnung hatte. Jetzt habe ich sie.“

Ihren berührenden Text beendet sie mit einem Appell an alle Menschen, die das Glück hatten, nie ein Kind – ob noch im Bauch oder auch nach der Geburt – verloren haben:

„Und allen da draußen, die keine Ahnung haben: Betrachtet es als euer Privileg! Wenn ihr keine Ahnung habt, wie es sich anfühlt, euer Baby zu beerdigen, bitte verurteilt uns nicht dafür, wie wir mit unserem Verlust umgehen. Denn es gab einmal eine Zeit, in der wir auch keine Ahnung hatten. Jetzt haben wir sie.“

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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