Meine Kleine, das Leben ist zu kurz für falsche Freunde

Mein kleiner Schatz,

ich liebe dich so sehr. Was für eine wundervolle kleine Person du bist, das muss doch jeder sehen! Zum Glück tun das die meisten auch. Mir geht das Herz auf, wenn du in der KiTa fröhlich mit anderen Kindern spielst und ihr so begeistert voneinander seid, dass ihr euch zum Abschied herzlich umarmt. Ganz egal, ob ihr euch am Tag vorher noch gestritten habt.

Dieses Gefühl der Freundschaft, wie eng diese nun bei Dreijährigen schon sein mag, ist etwas, dass das Herz erwärmt. Und ich wünsche mir, dass dein Herz immer schön warm und glücklich ist. Am besten ein Leben lang.

Doch das wird es wahrscheinlich nicht immer sein.

Wenn du erzählst, dass ein Junge deinen Rucksack „nicht cool!“ findet oder du für das Frozen-Shirt von einem älteren Mädchen gelobt wurdest, bekomme ich ein leises, aber unangenehmes Gefühl im Magen. Noch ist dir das alles relativ unwichtig, du schulterst trotzdem jeden Morgen begeistert deinen Rucksack und ziehst auch klaglos andere Oberteile an.

 

Im Kindergarten sind Freundschaften meist noch ganz unkompliziert. Foto: Bigstock

 

Aber: Ich weiß genau, dass sich das ändern wird. Irgendwann. Ich bin mir so sicher dabei, weil ich es kenne. Von mir.

Wir Menschen brauchen das Gefühl, akzeptiert und gemocht zu werden. Allerdings brauchen wir es wohl nie so sehr wie in jungen Jahren. Und kaum jemand kann so gnadenlos in seinen Urteilen sein wie Kinder und Jugendliche. Und das ist das Problem: Viel zu schnell verbiegen wir uns, um die Freundin des coolen Mädchens zu werden. Oder Teil der angesagtesten Clique der Klasse.

Das richtige Shirt, die wildeste (aus Erwachsenen-Sicht dümmste) Mutprobe, die Musik der angesagtesten Band – es gibt Phasen im Leben, da ist es uns egal, ob wir das alles wirklich mögen. Wir müssen es einfach mögen. Um dazuzugehören und Freunde zu finden. In einem gewissen Rahmen ist das ganz normal, fast jeder erlebt das.

Aber wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es: Dass du dich rechtzeitig wieder selbst findest. Und mindestens einen echten Freund noch dazu.

Ich weiß, dass du eine wunderbare junge Frau werden wirst, mit vielen Talenten, Interessen und ganz eigenen Ansichten. Ich werde tun, was ich kann, damit du die Stärke hast, du zu sein.

Es ist oft schwer, authentisch zu sein. Es macht uns so verletzbar. Es ist viel einfacher, sich darum zu kümmern, was die anderen denken, danach zu handeln und sehr wahrscheinlich Bestätigung dafür zu bekommen. Aber glaube mir: Das macht nicht wirklich glücklich. Denn dieses warme Gefühl im Bauch ist eines, das nicht von Dauer ist. Es wird schnell abgekühlt von dem Wissen, dass diese Bestätigung nicht unserem echten Selbst gilt.

Es gibt „Freunde“, die uns ein ungutes Gefühl machen, die fies zu uns sind, mit denen ein Treffen eher Stress als ein entspanntes „Nach-Hause-Kommen“ ist – obwohl es das doch sein sollte.

Bitte, lass sie gehen. Du brauchst sie nicht in deinem Leben.

Ich wünsche dir so sehr, dass du es aushälst, wenn es „unpopulärere“ Phasen in deinem Leben geben sollte. Denn auch, wenn es vielleicht etwas dauert: Irgendwann werden dir Menschen begegnen, die dich toll finden – so wie du bist. Die auch Seiten an dir, die ihnen vielleicht nicht so liegen, akzeptieren. Und die es aushalten, wenn du auch mal eine schlechte Phase hast oder weniger Zeit.

Weil ihr Freunde seid, und das bedingungslos.

Wahre Freunde helfen einem beim Überleben, und zwar in den berühmten „guten und schlechten Zeiten“. Ich weiß das, ich habe das große Glück, echte Freundschaft in meinem Leben zu haben.

Natürlich werde auch ich mein Leben lang für dich da sein, ohne Kompromisse. Aber glaube mir, irgendwann wirst du das vielleicht gar nicht mehr wollen. Und auch, wenn ich darunter leiden werden, weiß ich doch: Das ist ganz normal. Andere Menschen werden wichtiger für dich werden. Und das ist gut so.

Um wahre, wohltuende Freundschaft zu erleben, musst du aber du selbst sein. Herauszufinden, wer genau dieser Mensch ist, das kann dauern. Aber wenn du an dich glaubst, wenn du nach deinem Ich suchst – dann wirst du irgendwann ankommen und in dir ruhen. Und so (einen oder mehrere) Menschen anziehen, die dein wahres Ich lieben und nur das Beste für dich wollen.

Dazu gehört es aber natürlich auch, dass du selbst eine gute Freundin bist. Loyal, hilfsbereit, liebevoll.

Und solange du es zulässt, werde ich dir dabei helfen, diese Eigenschaften wachsen zu lassen. Denn dass sie sowieso schon ein Teil von dir sind, das zeigst du mir jeden Tag.

Ich bin für dich da, wann immer du es willst.

Ich hab dich lieb, und das für immer,

deine Mama

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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