„Ab und zu erwische mich dabei, wie ich über andere Mamas lästere.“

Tja, leider merke ich manchmal erst während des Sprechens, dass ich gerade mal wieder über eine andere Mama lästere. Ich weiß, dass ist weder eine gute Charaktereigenschaft noch ein angemessenes soziales Verhalten.

Bevor ihr jetzt deswegen über mich herfallt bzw. lästert (ja, genau ;-)), hört mich doch erstmal an. Denn: Vielleicht kennt ihr das ja auch?

Da sage ich in der einen Minute noch im Brustton der Überzeugung „Jedem das Seine“ oder „Leben und leben lassen“ – und glaube auch noch fest daran! Ich fühle mich quasi als ein wahres Wunder von Toleranz. Andere für ihre Mama-Macken verurteilen? Das macht man doch nicht. Und ich schon gar nicht. Ich lästere einfach nicht, das passt gar nicht zu mir.

Und dann höre ich, dass die Freundin einer Freundin ihr Kind noch mit drei Jahren stillt. Und der erste Gedanke, der mir in den Kopf schießt, ist: „Das käme mir doch komisch vor, wenn mein Dreijähriger auf mich zugelaufen käme, um mir die Bluse hochzuziehen.“ Der nächste (durchaus unfreiwillige) Gedanke folgt sogleich: „Oha, bestimmt eine Öko-Mama, die auch das ganze Sortiment an Globuli zu Hause hat. Ob die auch helfen, wenn ihr Kind mal ordentlich in ihre Brustwarze beißt?“

Vielleicht gibt es ja Mütter, die wirklich nie doofe Gedanken haben oder böse Worte über andere Mamas verlieren. Denen verleihe ich einen Orden – und das sage ich ganz ohne Ironie. Denn es zeugt von wahrer Größe und verdammt viel Respekt, das Verhalten anderer nicht zu verurteilen.

Als ich so darüber nachgedacht habe, ist mir noch keine Mutter einfallen, die sich mit Kommentaren über andere komplett zurückgehalten hat. Jede tut es gelegentlich – und wenn sie sich nur lauthals hinter deren Rücken über Mütter echauffieren, die über andere lästern. Denn damit machen sie im Prinzip das gleiche wie alle andere – sich selbst ein wenig besser darstellen.

Wenn mir mal wieder bewusst wird, dass ich lästere, mache ich mir sofort bewusst, warum wir so anfällig dafür sind. Dass wir nie so unsicher sind wie in unserer Rolle als Mutter. Jeder will schließlich das Bestmögliche für seinen Nachwuchs. Wir geben uns so viel Mühe und haben so viele Befürchtungen – dass es Mütter, die entgegengesetzte Entscheidungen treffen, es einfach falsch machen müssen. Damit wir es richtig machen!

Es ist kein Wunder, dass wir uns an Vorurteile, Automatismen und Schemata klammern. Sie sind psychologisch sogar sinnvoll. Sonst müssten wir jede unserer Entscheidungen immer wieder neu in Frage stellen: Hat die Langzeitstillerin ihrem Kind womöglich mehr Liebe mitgegeben, als ich es bei meinen getan habe – in Form von Milch? Jeden Tag neu entscheiden, ob Äpfel oder Birnen, Globuli oder Spritzen, Waldorf-Kindergarten oder staatliche Einrichtung die bessere Wahl sind… das würde jedes System überlasten. Also blockieren wir diese „Angriffe“ auf unseren Erziehung-Stil ab – denn als solchen empfinden wir es oftmals, wenn andere ihrem eigenen folgen, der unseren so gar nicht ähnelt.

Das ist eigentlich alles völlig überflüssig – na klar! Aber eben auch ganz menschlich. Von ausgiebigen, ernsthaft bösartigen Laster-Orgien über immer die gleichen Menschen und Dinge halte ich dennoch nichts. Dann am Ende macht man sich doch nur selbst klein dabei.

Vielleicht sollten wir uns künftig immer drei kleine Fragen stellen, bevor wir zu einer Läster-Tirade ansetzten: Ist es wahr, was ich sage? Ist es nötig oder hilfreich? Und: Ist es nett?

Aber ich finde es auch nicht schlimm, wenn uns mal ein kleiner Spruch rausrutscht. Kann passieren. Solange wir uns bewusst sind, warum es passiert: Weil wir alle mal unsicher sind und schwach, weil wir am Ende alle im gleichen Boot sitzen.

Und: Solange wir Mamas einander hoffentlich beistehen, wenn es wirklich darauf ankommt.

Tamara Müller
Als süddeutsche Frohnatur liebe ich die Wärme, die Berge und Hamburg! Letzteres brachte mich vor sieben Jahren dazu, die Sonne im Herzen zu speichern und den Weg in Richtung kühleren Norden einzuschlagen. Ich liebe die kleinen Dinge im Leben und das Reisen. Und auch wenn ich selbst noch keine Kinder habe, verbringe ich liebend gerne Zeit mit ihnen.

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