Belohnungsliste mit Stickern als Erziehungs-Hilfe? Mein persönliches Pro & Contra

Manche Situationen mit Kindern scheinen ausweglos. Egal, was man macht, man macht es falsch. Und manchmal greift man wirklich nach jedem Strohhalm. So ein Strohhalm war der Vorschlag einer Erzieherin, eine Belohnungsliste zu führen, als meine Tochter eine schlimme Phase beim Abholen hatte.

Fast drei Jahre alt, hatte mein Mädchen nachmittags schlimme Probleme, wenn ich sie aus der Krippe abholen wollte. Sie lief mir in der Garderobe immer wieder weg, wollte nicht angefasst werden, kam von anfänglichen Lachanfällen in Heulattacken und war wirklich außer Rand und Band.

Ich hatte keine Chance und war irgendwann ziemlich verzweifelt. 

Die Erzieherin kam dann an einem Dienstag auf die Idee, eine Belohnungsliste zu führen. Sie hatte mit meiner Tochter zusammen einen Plan gemalt, drei Spalten, für jeden Tag von Mittwoch bis Freitag eine. Und sie hatte Herzchenaufkleber.

Heiß begehrte Sticker, für die Kinder viel machen würden.

Wenn das Abholen ohne Stress klappte, durfte sie ein Herz auf die Liste kleben.

Aber würde das meiner Tochter auch den Abholstress nehmen? Ja, tat es. Am Freitag war die Liste voll und wir gingen zur Belohnung am Samstag in den Zoo.

Trotzdem hatte ich an der Methode so meine Zweifel.

Und fragte eine Kinderpsychologin aus dem Bekanntenkreis. Auch sie sagte, dass es nicht unbedingt so einfach sei mit diesen Listen, denn sie beheben mit Glück zwar die Auswirkungen des Problems, aber nicht die Ursache.

Diesen Fall hatten wir nun gerade, es ging ums nächtliche Trockenwerden. Die Große schläft nachts unglaublich tief. Ein schreiender Baby-Bruder, Licht an und aus, egal was, sie wacht nicht auf. Warum soll sie dann aufwachen, wenn sie mal muss?

Ich bin der festen Überzeugung, dass mein Kind körperlich noch nicht so weit ist.

Der Kinderarzt gab uns trotzdem bei der letzten Vorsorgeuntersuchung einen Bogen und Aufkleber mit, für jede trockene Nacht dürfe das Kind sich eine Sonne aufkleben, sonst eine Wolke. Der Bogen und die Aufkleber verschwanden bei uns im Schrank.

In diesem Fall bin ich gegen diese Liste, weil sie bei meinem Kind nur Frust verursachen würde.

Nachts trägt meine Tochter noch Windel – na und!? Foto: Echte Mamas

Sie ist noch lange kein Schulkind. Und im übrigen belastet sie die Windel-Sache nicht im geringsten. Vielleicht sieht das ganze in einem halben Jahr ganz anders aus. Dann hole ich den Bogen eventuell aus dem Schrank und wir probieren es.

Ich kenne Eltern, die solch eine Liste dafür einsetzten, dass das Kind nachts nicht mehr zu ihnen ins Bett kam. Klang ersteinmal schlimm, bis man die Hintergründe erfuhr: Für die beiden war es eine große Belastung, der vierjährige Junge schnarchte und schlief sehr unruhig. Er hielt seine Eltern die halbe Nacht wach. Die Aussicht auf eine Belohnung hielten ihn in seinem Bett, die Kuscheleinheiten, die er brauchte, bekam er nun tags, von ausgeschlafenen Eltern.

Ich denke, man sollte eine Belohnungsliste nicht zu voreilig verwenden.

In manchen Fällen motivieren sie das Kind und helfen, wenn das Problem die ganze Familie belastet. Aber manchmal steckt das Problem tiefer, oder ist, wie beim nächtlichen Pipi-Machen, gar nicht von außen beeinflussbar. Dann ist es für das Kind unmöglich, einen Sticker zu bekommen und es ist entsprechend frustriert. Muss ja nicht sein.

Ach ja: Und doof sind Kinder ja nun nicht.

Ich habe auch schon gehört, dass ein Fünfjähriger genau so lange seine unerwünschten Tobereien am Esstisch unterließ, wie die Eltern die Liste führten. Kaum hatte er seine Belohnung bekommen, fing er wieder an, das Abendessen zu stören und sich nicht an die Tischregeln zu halten. Bei uns lief es ähnlich.

Liste hin oder her, man kommt also (zum Glück) nicht drum herum, mit dem Kind auch in aller Ruhe zu sprechen: Dass man nun, mit den Aufklebern ja gemerkt hat, wie schön es doch ist, wenn alles gut klappt und niemand weint. Und dass man das sicher auch ohne Belohnungsliste schafft.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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