Mutter und Kind in Lebensgefahr durch falsche Diagnose

Eine Schwangerschaftsvergiftung zu bekommen ist für viele werdende Mütter die größte Sorge. Sie wird auch Gestose genannt und ist eine der gefährlichsten Schwangerschafts-Komplikationen. Das relativ bekannte HELLP-Syndrom ist eine Unterform davon. Warum mache Schwangere eine Gestose entwickeln, ist nach wie vor nicht klar.

Sie kann innerhalb von Stunden lebensgefährlich werden, der Mutter drohen unter anderem Hirnblutung, Nierenversagen und Leberriss. Nicht rechtzeitig erkannt und therapiert kann eine Gestose zum Tod von Mutter und Baby führen.

„Echte Mama“ Jana war kurz davor, dieses Schicksal zu erleiden, weil ihr zunächst die Behandlung verwehrt wurde. Uns hat sie ihre Geschichte erzählt:

 

Alles begann mit einer heftigen Senkwehe zu Beginn der 34. Schwangerschaftswoche. Die kam völlig überraschend und ganz plötzlich am 24.7.2017, um halb eins in der Nacht. Es tat weh, mein Bauch wurde hart und ich musste mich sogar übergeben. Nach einer halben Stunde war der Spuk wieder vorbei, ich dachte mir nichts dabei und legte mich wieder schlafen.

Am nächsten Morgen aber ging es mir immer noch nicht gut. Ich stand zwar ganz normal auf, fühlte mich aber, als hätte ich eine Magenverstimmung. Trotzdem ging ich mit meiner Mama frühstücken, wie das schon länger verabredet gewesen war. Schon als ich sie begrüßte, fragte sie mich, was los war. Mütter eben! Auch meine hat ein Radar dafür, wenn etwas mit mir nicht stimmt. Ich aß also nur etwas Leichtes und erzählte ihr von der vermeintlichen Senkwehe und der Übelkeit.

Aber da ging es schon los: Ich stürmte auf die Toilette und fing an, mich zu übergeben und es hörte einfach nicht mehr auf. Meine Mama fuhr mich sofort ins nicht mal zwei Kilometer entfernte Krankenhaus, wovon ich schon fast nichts mehr mitbekam – mittlerweile stand ich völlig neben mir, war richtiggehend apatisch.

Dort wurden wir direkt in den Kreißsaal geschickt. Die Schwester war sehr genervt und sagte, dass sie mich nicht untersuchen könne, schließlich hätten die niedergelassenen Ärzte ja noch geöffnet. Obwohl ich mich auch im Beisein der Hebamme mehrmals übergeben musste, schickten uns die beiden Frauen weg.

Was dann passierte, weiß ich nur, weil meine Mutter es mir später erzählte. Wir fuhren zu mir nach Hause, weil meine Gynäkologin im Urlaub war und ich dort die Daten der Vertretung hatten. Während meine Mama herauszufinden versuchte, wo wir hinmussten, riss ich mir die Kleider vom Leib, da ich das Gefühl hatte, innerlich zu verbrennen. Ich heulte, wollte nur noch schlafen, konnte aber nicht, weil mir so übel war. Als wir endlich bei der Ärztin ankamen, die immerhin 20 Kilometer von meiner Wohnung entfernt war, wurde ich sofort untersucht. Sie rief außerdem gleich im Krankenhaus – aus dem wir gerade weggeschickt worden waren – an, dass ich als Notfall wiederkommen würde. Meine Fruchtblase war wohl geplatzt, Diagnose: Schwangerschaftsvergiftung.

Also ist meine Mama mit mir den ganzen Weg wieder zurück, wieder in den Kreißsaal und die Hebammen immer noch genervt. Da war es kurz nach 16 Uhr.

Sie ließen mich dann bis abends um halb 10 dort liegen, ohne dass groß etwas passiert ist. Wie die Nacht war – es war die Hölle. Am nächsten Morgen kam die Ärztin, bei der ich auch das Vorgespräch hatte, und meinte, so schlimm könne es ja gar nicht sein und sie gehe davon aus, dass ich mir einen Nerv eingeklemmt hätte. Also wurde ich zu einem Arzt geschickt, der das untersuchen sollte.

Bei dieser Untersuchung habe ich dann mitbekommen, dass er irgendwo angerufen hat und sagte, dass das Kind sofort geholt werden muss. Da war es morgens um 10 Uhr, am 25.

Ich wurde wieder aufs Zimmer gebracht, vom ständigen Übergeben hatte ich schon blutunterlaufene Augen. Mittags kam wieder diese Ärztin und meinte, sie schließen mich an Flüssigkeit an und werden mal meinen Urin untersuchen. Da ist meine Mutter echt ausgeflippt, aber wieder passierte ewig nichts.

Da hatte ich immer mehr das Gefühl: Mein Baby und ich werden sterben.

Ich habe meine Mutter angefleht, mir zu helfen, war am Ende meiner Kräfte.

Um 16.30 Uhr kam endlich wieder jemand, dieses Mal, um mich zum CTG zu bringen. Dort habe ich wortwörtlich alles vollgekotzt. Es war alles voller Blut und ich sagte, dass das Baby und ich jetzt sterben werden. Dieses Gefühl war der Horror, und ich heule auch heute noch, wenn ich daran zurückdenke. Ich hatte keine Kraft mehr und bat meine Mama, sich um mein Baby zu kümmern, sollte ich es nicht überleben. Ich bat sie, ihm zu sagen, wie sehr ich es liebe und dass ich vom Himmel aus immer auf es aufpassen werde.

Ich weiß nur noch, dass dann doch plötzlich ein Arzt vor mir stand, der sagte, sie müssen den Kleinen sofort holen. Ich sollte noch etwas unterschreiben. Die hätten mir da alles hinlegen können – ich habe ohnehin nichts mehr mitbekommen….

Schon wurde ich in den Operationssaal geschoben, meine Mama war mit dabei. Mein Baby wurde per Not-Kaiserschnitt auf die Welt gebracht, doch sehen durfte ich es nicht. Ich hörte einen Arzt sagen: „Da ist er!“ Meine Mama sagte: „Er schreit!“ Ich wollte ihn unbedingt sehen, aber die Hebamme erklärte mir, dass sie ihn schon weggebracht hätten. Mir brach es das Herz, aber ich konnte nicht mehr tun, als meine Mutter hinterher zu schicken. Sie sollte bei ihm sein, ich hatte so Angst um mein Kind! Danach war ich komplett weg.

Als ich wieder zu mir kam, ging es mir schon wesentlich besser. Man sagte mir, dass mein Sohn auf der Frühchen-Intensiv-Station sei. Meine Mama hatte schon die Gelegenheit, ein Foto zu machen und so sah ich auf dem winzigen Bildschirm ihres Smartphones das erste Mal mein Baby! Er war bei 34+4 geboren, 50 cm groß und wog gerade mal 2500 Gramm.

Wie jede Mama wollte ich ihn aber unbedingt selbst sehen. Der Kreißsaal, in dem ich nun lag, und die Intensivstation waren Tür an Tür und so fragte ich die Hebamme, ob sie mich hinüber bringen würde. Sie erwiderte nur, sie hätte keine Zeit für so was. Ich könne mein Kind ja sehen, wenn ich selbst aufstehen könne. Ich brach in Tränen aus, ich wollte doch nur zu meinem Kind! Gegen 21 Uhr hiefte ich mich mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, aus dem Bett in einen Rollstuhl und schob mich hinüber.

Aber dieser Anblick… darauf war ich nicht vorbereitet gewesen: er lag im Brutkasten, überall waren Schläuche! Ich bekam solche unfassbare Angst um meinen Sohn!

Schließlich wurde ich auf der Wochenbett-Station untergebracht, im achten Stock. Wenn ich mein Baby sehen wollte, musste ich erst ins Erdgeschoss, dann in ein anderes Gebäude. Für mich und meine Fragen hatte im ganzen Krankenhaus niemand Zeit, erst recht nicht für meine psychischen Probleme, die nach diesem Trauma nicht verwunderlich waren. Ich war verzweifelt, verängstigt und hatte keine Ahnung, wie ich das alles verarbeiten sollte. Die Station war überfüllt, die Ärztin, die mich zwei Tage in meiner Misere hatte liegen lassen, habe ich nie wiedergesehen.

Am Ende habe ich mich selbst entlassen, weil ich dort nicht mehr bleiben wollte und weil ich so die Möglichkeit hatte, von morgens bis abends bei meinem Baby auf der Frühchen-Intensiv-Station zu sein.

Es war fürchterlich. Ich glaube, nur eine Mama, welche nach der Geburt ohne ihr lang ersehntes Baby in das fertige Zuhause kommt, weiß, wie schlimm dieses Gefühl ist. Ich habe stundenlang bitterlich weinend am Babybett gesessen.

Erst nach quälend langen fünf Wochen durfte ich mein kleines Baby endlich mit nach Hause nehmen.

Inzwischen geht es meinem kleinen Sonnenschein und mir richtig gut. Er hat sich gut entwickelt und ich habe einen super Kinderarzt der mir mit Rat und Tat zur Seite steht und mich auch mit meinen Sorgen ernst nimmt. Klar ist der Kleine nicht auf dem Stand, den er gehabt hätte, wenn er normal gekommen wäre, aber er holt alles langsam auf.

Verarbeitet habe ich das Erlebte aber immer noch nicht. Ich bin mittlerweile mit meinem zweiten Kind schwanger und habe natürlich große Angst, da diese Entbindung auch ein Kaiserschnitt wird. Bisher hatte ich auch nicht die Möglichkeit, mir professionelle Hilfe zu suchen, da ich alleinerziehende Mama bin, und bis auf meine Mama auch niemanden habe, der auf den Kleinen aufpassen kann.

Ich bin dadurch deutlich ängstlicher geworden und gehe so gut wie nie zum Arzt, da ich Angst habe und davon ausgehe, wieder nicht ernst genommen zu werden. Aber trotz allem – oder vielleicht gerade deswegen – versuchen mein Sohn und ich, jeden Tag aufs Neue zu genießen und die gemeinsame Zeit bestmöglich zu nutzten. Und natürlich freuen wir uns jetzt sehr auf seine kleine Schwester, welche im Sommer zur Welt kommen wird.

Rebecca
Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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