„Nein, wir gehen NICHT jeden Tag raus an die frische Luft!“

Bei Wind und Wetter an die frische Luft? Muss man! Sagen viele. Muss man nicht, sagt „Echte Mama“ Sandy:

„Es ist Samstagnachmittag, 14.30 Uhr. Die Sonne scheint, endlich mal wieder seit langem. Ich nehme einen großen Schluck von meinem Pfefferminz-Tee und seufze. Doofe Sonne, denke ich. Die zeigt mir nämlich deutlich, dass ich das letzte Mal vor ungefähr einem Jahr die Fenster geputzt habe. Außerdem macht sie mir ein schlechtes Gewissen.

Ich bin nämlich immer noch im Schlafanzug, mein Kind ebenfalls. Dabei sollte ich doch jetzt mit ihm gut gelaunt über einen Spielplatz toben, draußen, an der frischen Luft. Sagen zumindest die anderen Mamas und die Stimmen in meinem Kopf.

Der Kurze backt aber gerade in seiner Kinderküche Muffins. Mit echten Haferflocken und echtem Mehl. Damit das auch ein echter Teig wird, hat er fast heimlich das restliche Wasser seiner Trinkflasche dazu gekippt. Er köchelt glücklich und mit sich selbst schnatternd vor sich hin, während er sich, den ganzen Boden und die Wand einsaut.

Zwischendurch läuft er mit seinem großen Kochlöffel durchs Zimmer – schön kleckernd – zu mir und lässt mich probieren. Mmmm, schmeckt gut, bestätige ich. Er lacht und läuft zurück. Noch mehr Kleckse.

Die mischen sich wunderbar mit den auf dem Fußboden verteilten Resten der Obstpause, die ich statt des Mittagessens hingestellt hatte. Ich seufze noch einmal und frage mich, warum wir eigentlich noch kein Mäuse-Problem in unserer Wohnung haben und überlege, dass ich uns jetzt wirklich anziehen sollte, um rauszugehen.

Aber ich kann mich einfach nicht aufraffen. Wir haben eine harte Woche hinter uns. Fast jeden Tag Termine, Zahnarzt, Kindergeburtstag mit Eltern, Fußball. Zeit zum Spielen war knapp, wie immer. Mein Tagesablauf sah ungefähr so aus: Um 6 Uhr aufstehen, duschen, Frühstück und Brotdose vorbereiten, Kind aufwecken, anziehen, essen, auf den Weg machen.

Nach einem anstrengenden Arbeitstag holte ich ihn gegen 15.30 Uhr wieder ab, um zum jeweiligen Termin zu hetzen, dann nach Hause, Abendbrot machen und schon war wieder Bettzeit fürs Kind, dann für mich Haushaltszeit. OK, bis auf die Termine im Grunde genau wie immer. Als Alleinerziehende bin ich schließlich Mädchen für alles.

Nachdem es gestern auch wieder echt spät wurde und wir beide todmüde ins Bett fielen, ist heute die Luft raus. Hoch die Hände, Wochenende? Ich kriege meine Hände heute nicht mal mehr auf Schulterhöhe und brauche dringend einen Tag ohne Alles.

Darum wurde heute Morgen bei uns noch eine ausgiebige Runde im Bett gekuschelt, ein Buch vorgelesen und dann gab es statt Porridge mit Früchten Aufbackbrötchen mit viel Marmelade. Den Stress, Kind und mich anzuziehen, machte ich mir nicht.

Duschen durfte auch ausfallen. Wäsche? Heute nicht. Aufräumen und Staub saugen? Kann doch auch bis Montag warten, dann wischen wir uns eben mit den Händen die Krümel von den Fußsohlen, bevor wir ins Bett schlüpfen. Mittagessen – wie gesagt – war geschnibbeltes Obst. Zwei Folgen der „Sendung mit dem Elefanten“ gabs auch schon.

Und jetzt sitze ich hier und kann mich nicht über die Sonne freuen. Regen wäre schön, der wäre wir wenigstens eine gute Ausrede. Andererseits… genieße ich den Moment der Ruhe und den Anblick meines zufriedenen Sohnes sehr. Genauso wie den Tee, die warmen Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch die verdreckten Fenster finden, die Tatsache, dass mein müder Körper entspannt auf dem Stuhl lümmeln darf.

Vielleicht ist das mehr wert als auf Biegen und Brechen den Kriterien für „gute Mütter“ – die ICH mir nicht ausgedacht habe – zu entsprechen, zu denen nun mal der Klassiker gehört „Jeden Tag rausgehen, am besten bei jedem Wetter!“. Immerhin gehen wir sonst täglich eine halbe Stunde zu Fuß in die KiTa und wieder zurück.

Außerdem braucht das ja keiner zu erfahren. So schließe ich einen Moment die Augen, trinke meine Tasse leer, robbe über den Dreck zu meinem Kind rüber und helfe mit, die Pampe in Förmchen und den Spiel-Backofen zu verfrachten. Der Kurze strahlt. Ich auch.

Schön, so ein Tag im Schlafanzug.“

Rebecca
Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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