Notarzt, Krankenhaus! Mein Baby wäre fast am RS-Virus erstickt

Den Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV, kennen wohl wenige Eltern. Dabei sind die RS-Viren der häufigste Grund, warum Kinder unter einem Jahr unter entzündeten Atemwegen leiden – und teils nicht genug Sauerstoff bekommen!

Echte Mamas-Autorin Martina Steinbach hatte ebenfalls nie zuvor von diesem Virus gehört, bis er ihre Familie betraf. Auch mehrere Ärzte dachten nicht an diese Diagnose, als die Mutter ihre Tochter Flocke – so ihr Spitzname – bei ihnen vorstellte.

Hier erzählt sie ihre Geschichte: 

„Es war zwei Tage vor Weihnachten und mir war alles andere als besinnlich zumute. Ich saß mit meiner acht Monate alten Tochter in der Notaufnahme einer Klinik in Nordrhein-Westfalen. Ein Rettungswagen hate uns hergebracht, Grund war Flockes erneuter Atemaussetzer am Nachmittag. Sie atmete auch jetzt noch lautstark und schien sich dabei sehr anstrengen zu müssen. Die Ärztin hörte die Kleine ab und mich an. Und steckte ihr ein langes Wattestäbchen in die Nase. Mehr nicht. Dennoch lautete die Diagnose etwas später: „Sie müssen mindestens 5 Tage bei uns bleiben – ihre Tochter hat sich mit dem RS-Virus infiziert und braucht Sauerstoff.“ Bitte, was?

Klar, dass es Flocke nicht gut ging, war offensichtlich, aber mit mehr als einer Nacht zur Beobachtung hatte ich nicht gerechnet. Sie bekam einen Zugang in ihren kleinen speckigen Babyhandrücken gelegt. Ihre und meine Tränen liefen besser als das Legen. Auf unserem Zimmer kam ein Sauerstoffschlauch in der Nase dazu und ein rotblickender Sensor zur Sauerstoff-Überwachung an ihrem rechtem Zeh. Die kleine Maus war viel zu erschöpft, um sich zu wehren.

Die Ärztin meinte, dass dieser Virus diese Mini-Verästelungen der Bronchien angreift und verstopft. Diesen Schleim können so kleine Kinder nicht gut oder gar nicht abhusten – es kommt also nicht genug Sauerstoff an. Obendrein entwickelt sich oft eine Lungenentzündung, die Visite am nächsten Tag diagnostizierte diese auch bei Flocke.

Eine spezielle Therapie gibt es nicht, es können nur die Symptome bekämpft werden. Per Inhalation – alle 4 Stunden, auch nachts – sollten der Schleim gelöst und die kleinen Verästelungen erweitert werden. Dazu wurden in eine Kochsalzlösung fünf Tropfen Salbutamol gemischt; Asthmapatienten haben das in ihren Sprays.

Flocke wachte von den dampfenden, knisternden Geräuschen der Inhalation auf und wehrte sich heftig gegen die über die Nase und Mund gesetzte Maske. Ich kämpfte schon wieder mit den Tränen. Die Werte waren der Schwester zufolge jetzt besser, wir konnten den Sauerstoffschlauch in der Nase weglassen. Natürlich blieb der Mess-Sensor am Fuß, damit im Notfall sofort reagiert werden konnte.

Ich weiß nicht mehr, wie lange und oft ich in den nächsten Tagen und Nächten auf dieses Gerät der Sauerstoffmessung schaute. Oft. Lange. Fiel der Wert unter 90, machte ein lautstarkes Piepsen auf das Defizit aufmerksam. Dann musste wieder Sauerstoff her. Und nicht nur das Piepsen von Flocke, sondern auch das ihrer Zimmernachbarin machte unseren Aufenthalt zum Härtetest für alle Beteiligten.

Die Kleinen durften die Zimmer nicht verlassen, RSV ist unglaublich ansteckend. Wo sich Flocke wohl infiziert hatte? Jeder Ort ist denkbar, gerade große Ansammlungen von kleinen Kindern sind gefährlich. Meistens passiert es durch Husten, Niesen oder kleinen Tröpfen beim Sprechen. Gemeinerweise überlebt der RS-Virus bis zu 20 Minuten auf den Händen und sogar mehrere Stunden auf Kunststoffoberflächen. Die Ärzte und Schwestern traten daher immer mit Kittel, Mundschutz und Handschuhen in unser Zimmer, genau wie die Physiotherapeutin, die einmal am Tag zum Schleimlösen Flockes Rücken massierte. Sie erzählte, dass die halbe Station vom Virus betroffen sei.

Immer wieder machte ich mir Vorwürfe: Hätte ich mich im Vorfeld besser über Kinderkrankheiten informieren sollen?! Aber ich war ja bei mehreren Ärzten. Eine Woche vorher sogar in einer Münchner Krankenhaus-Ambulanz. Flocke hatte in einem Eltern-Kind-Café einen so schlimmen Hustenanfall, dass ich dachte, sie hätte etwas verschluckt und würde gleich ersticken. Das ganze Café starrte uns an, während ich Flocke kopfüber in der Luft hielt und ihr auf den Rücken klopfte. An der frischen Luft wurde es besser, das nahegelegene Krankenhaus entließ Flocke mit den Worten: ,Ihr Kind ist pumperlgsund’ (für alle Nicht-Bayern: total gesund).

Über Wochen anhaltender Husten, der an der frischen Luft besser, im Liegen schlimmer wird – das ist typisch für RSV. Auch unsere Kinderärztin kam nicht auf die Diagnose, als ich Flocke wenige Stunden vor Start in den Weihnachtsurlaub nochmal checken ließ. Sie hatte an dem Morgen vor Husten ihre gerade getrunkene Milch erbrochen. „Solange sie kein Fieber hat, können sie reisen,“ so ihre Aussage. Und das taten wir dann auch.

In der folgenden Nacht glühte und weinte Flocke plötzlich so schlimm, dass ich nicht erst Fieber maß. Da musste SOFORT ein Zäpfchen her! Bis zum Morgen hielt ich sie unbekleidet auf meinem Arm. Ihren ängstlichen Blick und das herzzerreißende Weinen werde ich nie vergessen. Den Eindruck, dass Flockes Atem ab und zu stockte, schob ich auf meine Müdigkeit.

Der Kinderarzt in der Nähe meiner Eltern verschrieb am nächsten Tag ein Antibiotikum – das hätte ihr gegen Bakterien geholfen, aber leider nicht gegen Viren. Im Nachhinein gesehen also kein Wunder, dass sich Flockes Zustand nicht verbesserte und sie auch kaum etwas essen oder trinken wollte.

Aber zurück zum Krankenhaus: Am zweiten Tag bekam Flocke eine Infusion, die sie aufpäppelte. Von dort an ging es langsam bergauf, in der fünften Nacht brauchte sie keinen Sauerstoff mehr. Einen Tag vor Silvester, acht Tage später, durften wir endlich nach Hause! Wir mussten aber weiterhin vier Mal täglich mit diesem Asthma-Medikament inhalieren – und sollten es dann unter Überwachung unserer Kinderärztin langsam absetzen.

Die Kinderärztin begrüßte uns in der Praxis übrigens mit den Worten „Was hat denn dieses pumperlgsunde Kind?“ Ich hätte sie am liebsten erwürgt und antwortete nur mit drei Buchstaben: R-S-V. Ihr fiel die Kinnlade runter.

Im Nachhinein kann ich den Ärzten wahrscheinlich keinen großen Vorwurf machen. Eine Freundin, Kardiologin, erzählte mir, dass normalerweise nur Frühgeborene, sehr leichte Kinder oder solche mit einem Herzfehler so hart von RSV betroffen sind, das sie Sauerstoff brauchen. Flocke ist weder zu früh geboren noch hat sie einen Herzfehler und von Untergewicht können wir nun wirklich nicht sprechen. Was übrigens auch für ihre fünf Monate alte Zimmernachbarin im Krankenhaus galt, die noch gestillt wurde.

Und heute? Flocke inhaliert auch ein Jahr später noch täglich mit Kochsalzlösung, damit neue Erreger sich schnell wieder verdrücken – morgens und abends für ein bis zwei Folgen „Peppa Wutz“. Der Virus hatte ihre Bronchien einfach sehr stark angegriffen, laut Kinderärztin dauere es rund zwei Jahre, bis sich diese wieder vollständig erholen. Aber wir merken inzwischen, dass sie Infekte schneller wegsteckt – und mit jedem Tag pumperlgsunder wird.

Mein Appell an euch, liebe Mamas: Sobald euch euer Kind komisch vorkommt, ihr so ein Gefühl habt, dass es sich nicht um eine normale Erkältung handelt – lasst es auf RSV untersuchen! Im Winter hat der Virus Hochsaison. Je früher die Symptome behandelt werden, desto schneller geht es euren Kleinen wieder gut.“

Martina Steinbach
Dank meinen Töchtern Jana und Lene fühle ich mich wie der Eintrag im Lexikon zu „Mama, echte“ – oft echt müde, noch öfter echt herausgefordert und ganz oft echt happy! Als ausgebildete Journalistin finde ich es großartig, über das Leben mit Kids schreiben zu dürfen und mit meinen Texten anderen Mamas helfen zu können. Mit Mann und Mädels lebe ich in München und vermisse Hamburg nur noch echt selten :-)

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