Babypfunde? Ich kämpfe darum, endlich mehr zu wiegen

Für alle, die den mühsamen Kampf gegen ihre Schwangerschaftspfunde angetreten haben, ist das umgekehrte Problem nur schwer vorstellbar: Wie ist es, wenn der Babystress einem die Kilos raubt, obwohl man das gar nicht möchte?

Genau das erlebte Mama Lydia aus der Region Darmstadt. Hier berichtet uns die 29-Jährige von ihrem Leben mit dem „Luxusproblem“, nach einer Schwangerschaft zu viel Gewicht zu verlieren: 

„Ich war schon immer schlank, mein niedrigstes Gewicht vor der Schwangerschaft waren etwa 56 Kilogramm bei einer Größe von 1,68 Metern. Dabei bin ich aber völlig gesund und munter – und esse auch gerne. Mein Vater und mein Bruder sind ebenso dünn wie ich, die Ärzte sagen, es liege einfach in unseren Genen. Wie es im Volksmund so schön heißt: Wir sind schlechte Futterverwerter. Ich hatte mich an dieses Gewicht gewöhnt und fühlte mich im Alltag inzwischen ganz wohl damit.

Nach meiner Schwangerschaft sah und sieht das allerdings ganz anders aus – hier hätte ich prima von reichlich Extra-Kilos zehren können! Diese waren mir allerdings nicht vergönnt, eher im Gegenteil. Und das war nicht nur anstrengend, sondern hat mir so manches Mal das Gefühl von Einsamkeit vermittelt:

,Hey, habt ihr auch keine Ahnung, wie ihr eure Schwangerschaftspfunde endlich wieder loswerden sollt?´ ,Ich fühle mich wie ein Elefant!´ Sätze wie diese fallen garantiert in jeder Mutterrunde, treffen auf verständnisvolles Grinsen und Nicken.

Ich habe dabei eher ratlos zuckende Schultern als verschwörerisch zwinkernde Augen zu bieten. Und das allein wird oft schon als Provokation aufgefasst: ,Ach, du hast ja keine Probleme, schau dich an, ich wäre gern so schlank wie du!´oder ,Du brauchst ja erst gar nicht bei Gewichtsproblemen mitreden!´

Das ist für mich genauso ein Schlag in die Magengrube wie Mama-Abnehm-Artikel, die für die breite Masse bestimmt sind: ,Die beste Diät gegen deine Schwangerschaftspfunde`, ,Wie kaschiere ich meinen Babybauch?` oder ,Schlankübungen mit Baby´.

Würden Texte auf Mütter wie mich zugeschnitten sein, würden sie völlig anders klingen:
,Die besten Rezepte für Shakes zum Zunehmen´, ,Die besten Lebensmittel für dich –
kalorienreich, aber gesund`, ,Zunehmen trotz Babystress` oder auch ,Erfahrungen einer Schreikind-Mama, die nur noch abnimmt´.

Ach ja, letzteren Text trage ich gerne selbst bei, denn genau davon bin ich betroffen. Aber alles von Anfang an:

Ich nahm in meiner Schwangerschaft nur wenig zu. Dabei wäre das so schön gewesen! Aber nein, es waren nur stolze, aufwändig angefutterte 13 Kilogramm! Meine Frauenärztin war total begeistert von mir. Ich war dagegen eher skeptisch. Denn ich kenne mich: Ich bin vielleicht ,privilegiert`und kann essen, was ich will, ohne zuzunehmen. Die Kehrseite der Medaille ist aber: Stress reduziert mein Gewicht in Lichtgeschwindigkeit.

Und Babys SIND Stress! Das ahnte ich, obwohl es meine erste Schwangerschaft war.

Und ich behielt recht. Drei Wochen nach der Geburt meines Sohnes zeigte die Waage schon wieder mein zartes Vorschwangerschafts-Gewicht an. Kein Wunder, denn stressmäßig hatte ich den Jackpot gezogen: Ein Schreikind, das vier Monate lang noch viel mehr Kraft forderte, als es ein Baby ohnehin schon tut. Zudem stillte ich mit Liebe und Leidenschaft und auch das zehrte an meinem sowieso schon wieder viel zu schlanken Körper.

Ich weinte, war verzweifelt und besorgt, das machte mich natürlich auch nicht unbedingt schöner und ausgeglichener. So verlor ich zusätzlich weitere fünf Kilos und ich fühlte mich endgültig wie das unerotischste Gerippe, das auf der Straße herumläuft. Mit 50,5 Kilo fühlte ich mich nicht nur unwohl, es tat mir auch wirklich alles weh. Als beschwerten sich meine Organe bei mir über dieses neue Niedrigstgewicht.

Mein Ziel war zu dieser Zeit mein altes Wohlfühlgewicht. Viele mögen es vielleicht nicht glauben, aber auch zu dünn zu sein, kann sich schlimm anfühlen! Und auch für meine Mutterrolle wünschte ich mir noch eine gute Schippe mehr Kraft.

Ich sorgte mich immer, dass mir unbekannte Leute glauben könnten, ich eifere den schlankgehungerten Germany’s Next Topmodels nach. Aber diese Sorge war wohl umsonst, denn sogar ältere Damen sagten sehnsüchtig: ,Oh, was hätte ich damals darum gegeben, wäre es bei mir so gewesen…´.

Ich dachte währenddessen: ,NEIN! Meine Situation ist überhaupt nicht erstrebenswert!´. Sagte es aber selten laut, denn: Wer versteht das schon.

Befreundete Muttis rufen ,Oh mein Gott – wie kann ich abnehmen, bei all diesem Babystress!? Ich habe gar keine Zeit dafür!´ Ich denke: Wie kann man bei all diesem Stress NICHT abnehmen? Völlig absurd für mich.

Freundinnen, Mamas oder Bekannte mit der gleichen körperlichen Voraussetzung, die sich als echte Seelenpartnerinnen eignen? Fehlanzeige – habe ich bisher nicht gefunden. Mehr als lustige oder zickige Kommentare oder auch nur ein Schulterzucken mit schnellem Themenwechsel war in Gesprächen mit anderen Müttern kaum zu erwarten.

Frauen, die das gegenteilige Problem haben und nunmal in der absoluten Überzahl sind, finden in solchen Runden garantiert immer eine Menge Anhänger. Jemand ohne Abnehmschwierigkeiten stört dieses Gefüge natürlich. Da kann ich noch so dramatisch von meinen knochigen Problemen berichten… Falls ich mich dann doch mal traue, am Gespräch teilzunehmen. Als sehr dünne Mutti kann es ganz schön einsam werden!

Übrigens kam ich auch bei Ärzten mit meinem ,Luxus-Problem` nicht gut an. Trotz zwischenzeitlich weiteren Tiefs, zum Beispiel in Form von Pfeifferschen Drüsenfieber, waren die Ärzte tatsächlich froh, mal niemanden mit Übergewichtsproblem vor sich zu haben. Sie klopften mir allesamt lobend auf die Schulter und sagten mir, ich sei doch ein ,sehr gesunder Mensch`!

Ich stattete mich daraufhin mit gleich zwei mentalen Ellenbogen aus und suchte mir kurzerhand selbst Tipps und Rezepte aus dem Internet heraus. Mein Sohn ist inzwischen 15 Monate alt und wir alle sind gesund und munter. Es schwankt immer noch, aber immerhin: ,nur` noch 2 Kilo to go für mein Wunschgewicht! Seit ein paar Wochen bin ich wieder glücklich und fühle mich gut – und so höre ich auch von vielen, dass ich wieder gut und gesund aussehe.

Gibt es euch da draußen, ihr Mamas, mit dem gleichem Schicksal und den gleichen ungnädigen Genen?  Dann traut euch und meldet euch.

Lasst euch sagen: Ihr seid nicht allein! Macht es so wie ich: Wenn es ums Abnehmen geht, lächelt, zuckt mit den Schultern und trinkt euren (semi-leckeren) x-Tausend-Kalorien-Drink!“

Lydias Sohn, fröhlich und gesund (Foto: privat)

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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