Ein 14-jähriges Mädchen, ihr Tumor und eine hilflose Mama

Der Rest von Christianes Leben, das mit 14 Jahren noch endlos erscheinen sollte, beginnt für sie im Sommer diesen Jahres, genauer gesagt am 23. Juni. Aus heiterem Himmel wird ihre Hand taub. Sie erzählt es ihrer Mutter Mandy. Seltsam, aber wird schon wieder weggehen, hoffen sie – wer denkt schon gleich ans Schlimmste?

Doch ein paar Tage später wird es schlimmer, mittlerweile kann Christiane ihren Arm nicht mehr anheben, und auch das Laufen fällt ihr plötzlich schwer. Alarmiert fahren Mama und Tochter zum Kinderarzt – und werden sofort ins Krankenhaus überwiesen. Noch gehen die Ärzte von einer Gehirnentzündung aus und behandeln Christiane mit Cortison. Als sich ihr Zustand nicht verbessert, ziehen die Ärzte eine Klinik in Göttingen zu Rate.

Die Ärzte dort sprechen das erste Mal von dem schrecklichen Wort Hirntumor. Nur wenige Tage vergehen, bis Christiane Gewebe durch eine Biopsie entnommen wird, um sicher sagen zu können, was die Ärzte bereits befürchten: Ein Tumor hat sich in Christianes Gehirn ausgebreitet. Und es wird immer schlimmer: Im August wird ein erneutes MRT gemacht, am nächsten Tag bestellt die Ärztin Mandy sofort für ein Gespräch ins Krankenhaus. Die niederschmetternde Nachricht lässt die Mama fast zusammenbrechen: Innerhalb weniger Wochen ist der Tumor gewachsen, mittlerweile drücken vier mal vier Zentimeter bösartiges Gewebe auf Christianes Gehirn.

Sofort muss operiert werden, sagt die Ärztin, und so wird nicht mal eine Woche später ein Teil des Tumors aus Christianes Gehirn operiert. Leider nur ein Teil, zu verwoben ist das Geschwür mit dem Gehirn des Mädchens, als dass man alles hätte entfernen können, ohne Christiane gelähmt zurück zu lassen. Nur zehn Tage kann sich das Kind erholen, dann beginnt eine Chemo- und Strahlentherapie und der Versuch, den Tumor damit zu zerstören oder zumindest am Wachsen zu hindern. Doch nichts hilft – nicht einmal zwei Monate später ist der aggressive Tumor wieder gewachsen. Das erste Mal traut sich Mandy zu fragen, ob ihr Kind sterben wird. Und bricht fast zusammen, als sie die Worte der Ärztin hört: Sie will ihr keine Hoffnung machen – noch nie konnte sie in ihrer Laufbahn ein Kind mit dieser Diagnose retten.

Mandy taumelt, weint, ist verzweifelt. Sie sucht nach einem Wunder, und ein kleiner Hoffnungsschimmer tut sich auf: Eine Klinik in Köln bietet eine neuartige Behandlung von kindlichen Hirntumoren an, weltweit eine der wenigen, die ein neues Verfahren einsetzen. Dabei wird aus dem Tumormaterial ein maßgeschneiderter Impfstoff hergestellt und direkt in die Tumore gegeben, zusätzlich wird mit Hitze und Antikörpern behandelt. Es gibt ein Kind, mit der gleichen Diagnose wie ihre Tochter – Glioblastoma Multiforme – das wurde 2001 so behandelt, und lebt immer noch, sagt Mandy.

Die Behandlung, die vielleicht auch ihrer Christiane, wenn nicht das Leben retten, doch zumindest Jahre schenken kann, kostet fast 40.000 Euro. Dazu kommen Fahrtkosten und Kosten für die Unterkunft vor Ort. So viel Geld hat Mandy nicht, kann sie auch nicht zusammensparen, denn wenn sie eines nicht haben, dann ist es Zeit. Sechs bis zwölf Monate geben die Ärzte Christiane, die mittlerweile einen Rollstuhl braucht, nur noch müde ist und kaum etwas essen und bei sich behalten kann. Sie weiß, wie es um sie steht. Und wenn sie ihre Mama anschaut und ihr sagt, „Ich will noch nicht sterben, ich liebe euch doch so“, bricht es Mandy das Herz.

Das ist das Tückische an dieser Krankheit – sie raubt den Kindern nach und nach alle Fähigkeiten – laufen, sprechen, essen – aber ihr Kopf bleibt klar. Dass es so wenig Hilfe und Hoffnung für Kinder wie Christiane gibt, liegt auch daran, dass jahrelang so wenig in diesem Bereich geforscht wurde. Wer weiß, wenn sie die Krankheit einige Jahre später ereilt hätte, vielleicht könnte sie gesund werden. Denn im Moment gibt es nur eine Handvoll Kliniken wie das IOZK in Köln, in das verzweifelte Eltern aus der ganzen Welt reisen, in der Hoffnung, dass die Behandlung ihnen noch Jahre mit ihren Kindern schenkt. Und noch wird die Behandlung nicht von der Krankenkasse übernommen, und wer sie nicht bezahlen kann, für den bedeutet das den sicheren Tod.

Christianes Mama hat daher eine Spendenkampagne ins Leben gerufen, um die Behandlung ihrer Tochter bezahlen zu können. Unendlich dankbar ist sie allen, die ihr helfen – über 1000 Menschen haben bisher für Christiane gespendet. „Ich wünschte, niemand müsste so etwas erleben wie wir. Die Kinder und Familien gehen durch die Hölle, aus der es kein Entkommen gibt. Es muss endlich mehr geforscht werden in diesem Bereich, bei anderen Krebsarten konnte man dadurch auch die Heilungschancen deutlich erhöhen. Es ist so grausam, wenn einem Stück für Stück das Kind geraubt wird, so unfair, sie ist doch noch so jung.“ Auch an all die anderen Kinder und Eltern, denen es so geht wie ihr, denkt Christianes Mutter: „Sollte mehr gespendet werden als wir für die Behandlung brauchen, würde ich es mit Zustimmung der Spender an andere krebskranke Kinder spenden, die ebenfalls Hilfe benötigen“, so Mandy.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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