Besinnliches Plätzchenbacken? Von wegen! Was Mamas alles leisten

Meine Freundin Charlotte kommt mit ihren Kindern zum Backen. Hannes ist drei und Marta ist eins. Gerade eins. Marta findet irgendwie Still-auf-dem-Schoß-sitzen extrem langweilig. Auf dem Boden aber auch. Marta findet unseren Hund zum Heulen (und das kann ich sehr gut verstehen, er ist schließlich jetzt schon größer als sie). Marta möchte gerne, dass man sich mit ihr beschäftigt. Sie weiß nur gerade überhaupt nicht, worauf sie Lust hat. Die Dinge, die wir ihr vorschlagen, zumindest schon mal nicht.

Hannes und und meine Tochter Ida wollen Plätzchen ausstechen. Der Teig ist aber klebrig und muss erst ausgerollt werden. Hannes Teig klebt leider immer an dem kleinen Nudelholz fest. Charlotte hilft, Marta schreit. Marta isst Dinge, die auf dem Boden liegen. Vielleicht von uns, vielleicht auch vom Hund?

Ida und ich stechen Kekse aus.

Marta zieht sich überall hoch. Vielleicht befinden sie sich die interessanten Dinge ja weiter oben?

Hannes ausgestochene Kekse zerfallen alle auf dem Weg zum Backblech. Charlotte hilft. Charlotte läuft hinter Marta her. Charlotte wickelt. Charlotte verscheucht den Hund. Charlotte krempelt Hannes Ärmel hoch. Charlotte zieht Marta unter dem Tisch hervor. Charlotte schält mit einer Hand einen Apfel. Charlotte verteilt Mehl auf dem Tisch. Wischt Nasen ab. Versucht Marta auf dem Schoß zu halten. Marta schreit. Sie möchte nicht auf dem Schoß sein.

Ida und ich stechen Kekse aus.

Charlotte versucht, Marta daran zu hindern, den kompletten Teig zu essen. Marta zerstört Hannes Keksteig. Hannes weint. Marta weint. Charlotte entsorgt Apfelschale.

Charlotte sucht mit einer Hand die Flasche von Marta in ihrem Rucksack. Marta schreit. Hannes braucht Hilfe. Charlotte erzählt, dass ihr Mann zwei Wochen auf einer Konferenz ist.

Ida und ich stechen Kekse aus.

Charlotte pustet heiße Kekse. Marta will auf den Arm. Dann aber doch wieder nicht. Hannes verbrennt sich den Mund am heißen Keks. Charlotte tröstet. Charlotte fängt Marta auf, die hinzufallen droht. Charlottes Kaffee ist schon lange kalt.

Charlotte muss noch einkaufen. Und morgen früh zur Arbeit. Charlotte bringt Hannes und Marta in unterschiedliche Einrichtungen. Charlotte hat leider vergessen, ihren Mann rechtzeitig zu bitten, die Kupplung für den Fahrradanhänger noch an ihr Fahrrad zu bauen. Schafft sie das heute Abend im Dunkeln noch alleine, wenn die Kinder schlafen?

Charlotte packt Kekse ein. Sie sucht Jacken und Schuhe zusammen. Marta heult. Hannes will noch nicht los. Charlotte bückt sich einhundert Mal. Und steht wieder auf. Charlotte sitzt nicht still. Charlotte muss ständig überall hingucken. Alles im Blick haben. Im Kopf geht sie schnell die Einkaufsliste durch.

Charlotte zieht Kinder an. Kinder, die sich wehren. Charlotte versucht, Taschen zu tragen, Dosen mit Keksen und Marta. Charlotte versucht, den Anhänger mit einer Hand zu schieben, denn an die andere möchte Hannes gerne.

Charlotte lacht.

Ach, Charlotte, denke ich, wie schaffst du das nur?

Am Abend erzähle ich meinem Mann Paul von Charlotte. „Wie schafft sie das nur?“ frage ich. „Und wie schafft sie es, dabei noch zu lachen?“

Paul sieht mich an.

„Genau das Gleiche hast du vor zwei Jahren bei Ida auch gemacht.“

Manchmal sieht man die eigene Leistung erst, wenn man in den Spiegel blickt. Und manchmal merkt man, dass das Leben gar nicht so kompliziert ist, so lange man mit seinen Aufgaben wächst. Im Jetzt und Hier, genau in diesem Moment, fühlt sich alles richtig an, so wie es ist. Und vor zwei Jahren fühlte es sich genauso an. Wie schön, wenn unser Kopf, unsere Kraft, unser Verhalten und unsere Liebe Dinge schön aussehen lässt, auch wenn sie manchmal ganz schön anstrengend sind

Foto: miriamboettner.com

Miriam Boettner ist Fotografin, Bloggerin und Autorin. Die Hamburgerin hat zwei Kinder, Emil und Ida. Mehr von ihr kannst du auf ihren Blogs „Emil und Ida“ und „Kleine Landstreicher“ lesen.

Tamara Müller
Als süddeutsche Frohnatur liebe ich die Wärme, die Berge und Hamburg! Letzteres brachte mich vor sieben Jahren dazu, die Sonne im Herzen zu speichern und den Weg in Richtung kühleren Norden einzuschlagen. Ich liebe die kleinen Dinge im Leben und das Reisen. Und auch wenn ich selbst noch keine Kinder habe, verbringe ich liebend gerne Zeit mit ihnen.

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