„Videos, Fernsehen, Apps: Was meine Tochter (2) darf – und was nicht“

Foto: Timea Sternkopf

Echte Mamas-Autorin Timea Sternkopf ist Mutter einer zweijährigen Tochter und wohnt mit ihrer Familie in der Nähe von München. Die Journalistin liebt das Kino und schreibt auch beruflich darüber, doch beim Medienkonsum ihrer Tochter gibt es klare Regeln:

Wenn meine zweijährige Tochter krank ist und mit nichts mehr aufzuheitern oder zu beschäftigen ist, dann dann kann es vorkommen, dass ich sie auf meinen Smartphone oder Tablet eine Folge „Peppa Wutz“ schauen lasse. Diese charmanten Geschichten mit süßen Schweinchen amüsieren sie so hervorragend, dass sie stundenlang zugucken könnte.

Gerade nach solchen Krankheitstagen fordert sie beim Anblick meines Handys „Anschauen! Mama, anschauen!“. Aber ich bleibe hart und versuche die lustigen Schweinchen für besondere und vor allem seltene Situationen aufzuheben – und das hat auch seinen guten Grund. Ich beobachte immer wieder geschockt, wenn sie ausnahmsweise doch mal ein Video anschaut, welche Wirkung das auf sie hat.

Ist euch auch schon aufgefallen in welchen bewegungs- und regungslosen Zustand Fernsehen oder Videos Kinder versetzen? Auf einmal wird jede Art von Entdeckungslust und Bewegungsdrang zum Stillstand gebracht.

Sie sitzen wie hypnotisiert da und nehmen ihre Umgebung nicht mehr wahr. Ich schreibe „hypnotisiert“, weil es tatsächlich so ist: Fernsehen erzeugt bei Menschen einen Trance-Zustand. Ein Zustand eben, der bei Hypnose eine große Rolle spielt. Unter Trance rückt die Umgebung in den Hintergrund ebenso wie das bewusste Wahrnehmen. Dafür bekommt das Unterbewusstsein mehr Raum. Nicht umsonst geben Unternehmen so viel Geld für Fernsehwerbung aus: Es ist der ideale Ort, um das Unterbewusstsein der Konsumenten durch Botschaften zu beeinflussen.

Wir Erwachsene entspannen uns gerne bei Fernsehen, Netflix & Co.; wir lassen uns „berieseln“ und vergessen den stressigen Alltag. Erwachsene Menschen sind durchaus in der Lage, die Inhalte aus Serien und Filmen zu verstehen, zu verarbeiten und zu bewerten. Dabei vergessen wir allzuoft, dass Kleinkinder das noch nicht können.

Der Fernseher bleibt aus. Meine Tochter soll lieber mit Lego und unserem Hund spielen.

Vor allem in den ersten drei Jahren sollte man aus psychologischer Sicht Kinder vom TV fernhalten. Sie können noch nicht zwischen Fiktivem und Realem unterscheiden. Die geistige und körperliche Entwicklung unserer Kinder sollte an erster Stelle stehen, doch diese kann nur durch ausreichend Bewegung gefördert werden. Parken wir unsere Kinder vor dem Fernseher, bewegen sie sich nicht.

Fernsehen präsentiert vorgefertigte Bilder und hemmt die Vorstellungskraft, weil die Fantasie der Kinder nicht angeregt wird. Ausführliche Studien der US-Forscher Dorothy und Jerome Singer ergaben, dass Kinder, die regelmäßig fernsehen, eine größere Ruhelosigkeit und sogar aggressive Verhaltensweisen zeigten. Der schnelle Wechsel von Bildern und lauten Geräuschen soll sogar ADHS begünstigen, sowie die Konzentrations- und Lesefähigkeit einschränken.

Kinder entdecken die Welt, indem sie Dinge er-fassen und be-greifen – also aktive werden. Erfahrungen in den ersten Jahren müssen greifbar sein, doch unsere Kinder können nicht in den Fernseher (oder das Handy oder Tablet) hineingreifen. Die Welt der Kinder ist eng verknüpft mit Körpererfahrungen, die jedoch beim Fernsehen nicht vorhanden sind. Kleine Kinder können zwischen Fernsehen und realer Welt nicht unterscheiden, das sollten wir als Eltern immer im Hinterkopf behalten.

Schlimm ist, wenn Eltern den Fernseher nebenbei laufen lassen und Kinder ungefiltert hintereinander Zeichentricksendungen, Werbung, Nachrichten und Filme mitbekommen. Die Zusammenhänge sind einfach zu komplex für Kleinkinder. Das weiß ich und schaue deshalb nie fern, wenn meine Tochter dabei ist.

Ich finde es traurig, wenn Eltern den Kinderkanal einschalten – und gleichzeitig die Entwicklung ihres Nachwuchses ausschalten. Wenn schon Fernsehen, dann in wohldosierten Mengen. Als Mama sollte man immer dabei sein und gegebenenfalls eingreifen und über vermeintlich dramatische Szenen sprechen. Selbst für uns völlig harmlose Inhalte könnten bei unseren Kindern zu Angstzuständen führen.

Als mediale Unterhaltung eignen sich ab einem gewissen Alter Hörspiele, denn Geräusche und Musik erzeugen eigene Bilder und Filme im Kopf – die Fantasie wird weiterhin angeregt.

Ich denke trotz allem, dass es in unserer heutigen Zeit wenig Sinn macht, Kinder von sämtlichen Medien und Technik fernzuhalten – sie werden diese sowieso mitbekommen, und sie gehören nun mal in das 21. Jahrhundert. Doch nur, weil ich mit meiner Tochter hin und wieder selbstaufgezeichnete Bilder und Videos an meinem Handy schaue, heißt es nicht, dass sie auch vor dem Fernseher sitzen sollte.

Wenn wir uns kleine Videos und Bilder anschauen, dann besprechen wir, was passiert ist, wer alles dabei war. Es gibt auch nette Spiele-Apps mit Lerneffekt für Kinder, die zum Mitmachen animieren. Ich sehe das weniger kritisch, als Kinder vor bereits „fertige“ Produkte wie Serien und Filme zu setzen. Ob Apps oder Videos: Bei uns läuft beides nur in Maßen und immer nur, wenn ich dabei bin.

Ich selbst bin leidenschaftliche Cineastin und Serienguckerin und freue mich auf die Zeit, wenn meine Tochter alt genug ist, ihre ersten filmischen Erfahrungen mit mir zu sammeln.

Doch so lange sie nicht in der Lage ist, Realität und Fiktion zu unterscheiden, lasse ich sie lieber im Sandkasten spielen und in Bilderbüchern blättern.

Timea Sternkopf
Ich lebe mit meiner knapp dreijährigen Tochter und meinem Mann in München und arbeite als freie Autorin und Dolmetscherin. Ich bin nicht nur eine echte Mama, sondern auch ein echter Film- und Serienjunkie. Neben „Game of Thrones“ hege ich eine ebenso große Liebe zu thailändischem Essen und zum Reisen.

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