Warum muss ich eigentlich immer alles zehnmal sagen?

Im Grunde haben fast alle Eltern die gleichen Probleme – zum Beispiel, alles immer mindestens zehnmal sagen zu müssen, und meist reagiert das Kind dann immer noch nicht.

Neulich bei meiner Schwester – die Aufforderung zum abendlichen „Es gibt Essen“ wird von ihrem fünfjährigen Sohn einfach komplett ignoriert. Sie steigert sich vom netten „Johan, komm her, wir essen“ zur genervten, lauten „Wenn…dann..“-Drohung, und es endet meist damit, dass sie ihn an den Tisch schleppt. Wo er dann trotzdem noch Ablenkung findet und mit dem Platzdeckchen spielt und versucht, wieder vom Stuhl zu rutschen.

Es ist zum Haare raufen! Die meisten Eltern kennen diese Situationen, ob es jetzt Baden, Zähne putzen, Händewaschen, zum Essen kommen oder Anziehen ist.

Was kann man tun? In einem Artikel von Dr. Laura Markham habe ich tolle Tipps gefunden – und gelesen, dass meine Schwester alles falsch macht…

Wenn man versteht, warum Kinder so sind, wie sie sind, ist vieles einfacher:

Ihr Gehirn entwickelt sich noch, sie müssen noch so viel lernen. Zum Beispiel können sie nicht verstehen, warum es für dich jetzt wahnsinnig wichtig ist, dass gegessen wird, wo es für sie doch gerade genauso wichtig ist, zu spielen.

Sie müssen lernen, schnell den Unterschied zwischen dem, was du willst, und dem was sie selbst wollen, zu sehen. Und auch, ihren eigenen Wunsch aufzugeben, um deinem zu folgen. Aber das ist ein wichtiger Entwicklungsschritt.

Denn so lernen Kinder Selbstdisziplin: Etwas zu tun, was gemacht werden muss, obwohl man eigentlich keine Lust darauf hat. Sonst zieht man lauter kleine Menschen heran, die später nur das machen, worauf sie Bock haben. Das Problem, wenn du ein schreiendes Kind an den Tisch zerrst: So lernt es keine Selbstdisziplin. Die lernt das Gehirn nur, wenn es freiwillig etwas aufgibt, um etwas anderes zu tun.

Du kannst dein Kind nicht zwingen, auf dich zu hören – oder nur mit drastischen Maßnahmen: körperlichen oder seelischen Schmerzen fürs Kind.

Sie müssen von sich aus wollen. Doch grundsätzlich hat niemand Lust darauf, kontrolliert zu werden, und gesagt zu bekommen, was man tun soll. Haben wir Erwachsene nicht, und unsere Kinder auch nicht.

Außerdem sind Kinder schlau: Sie haben gelernt, dass sie Zeit schinden können, und eigentlich erst reagieren müssen, wenn du laut wirst.

Aber hier kommt das Gute: Dein Kind liebt dich. Von Natur aus will es eigentlich alles tun, dass du es auch liebst, du bist sein Vorbild für alles. Wenn du dich aber ständig im Machtkampf mit deinem Kind wiederfindest, stimmt was nicht.

Vielleicht liegt es daran, dass du viel Arbeit und wenig Zeit für dein Kind hast, oder dass du oft genervt bist und bei Kleinigkeiten doll schimpfst oder immer mit Auszeiten oder Bestrafungen reagierst, wenn dein Kind nicht funktioniert. Vielleicht braucht dein Kind auch mehr Zuwendung, weil die Welt halt einfach kompliziert ist für kleine Menschen. Und es sich verloren fühlt, weil es nicht weiß, wie es richtig funktionieren soll.

Auf jeden Fall klappt das „Hören“ besser, wenn die Beziehung zwischen uns und unseren Kindern gut ist.

Hier sind Tipps, die das Mama-Kind-Verhältnis verbessern, und dazu führen werden, dass dein Kind besser hört.

  1. Nimm dir bewusst Zeit für dein Kind. Jeden Tag eine halbe Stunde, die nur dem Kind gehört. Das erscheint so banal, aber es ist so wichtig, und es funktioniert immer. Alle Kinder brauchen das Gefühl, dass sie Mamas Priorität und Nr. 1 sind. Wenn du dich komplett auf sie konzentrierst, gibst du ihnen das Gefühl, dass sie geliebt und gewollt sind. Versuch sie zum Lachen zu bringen, das hilft auch immer.
  2. Wenn Kinder mitten im Spielen sind, und du willst, dass sie etwas tun, ruf die Anweisung nicht aus der Ferne. Geh hin zum Kind, knie dich daneben. Lass dir zeigen, womit sie beschäftigt sind. Bewundere das gern auch kurz, dann berühre dein Kind und schau ihm in die Augen. Sage, dass es gleich Essen gibt. Gib ihnen eine Warnung, dass sie gleich das aufgeben müssen, was ihnen im Moment viel wichtiger vorkommt als Essen, Baden, Anziehen, etc. „Noch fünf Minuten, dann hol ich dich ab, ok?“
  3. Geh nach fünf Minuten hin, und erinnere sie an eure Vereinbarung. Hilf ihnen dabei, ihr Spiel aufzugeben. Nehmt die Puppe mit, sie kann beim Essen zuschauen oder mitgefüttert werden. Fahrt mit dem Feuerwehr-Auto ins Bad zur Badewanne. Baut noch schnell eine Ablage für das Kinder-Duschgel aus Lego oder was auch immer.
  4. Wenn das Kind anfängt zu weinen, versichere ihm, dass du verstehst, dass es das jetzt als gemein empfindet. Wie gesagt, es würde uns auch nicht anders gehen. Wenn wir gerade in etwas vertieft sind, und jemand kommt einfach und will, dass wir etwas anderes machen? Doof ist das! Wir haben nur gelernt, dass es eben nicht so schlimm ist, etwas zu essen und danach weiter zu machen. Dein Kind noch nicht.
  5.  „Such dir deine Kämpfe aus“, ist ein guter Tipp. Lass das Kind mit entscheiden: Lieber Baden oder Duschen? Lieber Spiegelei oder Brot zum Abendessen? Wenn man das Gefühl hat, man hat auch ein bisschen Kontrolle, ist vieles einfacher. Für Kinder, wie für Erwachsene. Außerdem haben sie so eher das Gefühl, dass du auf ihrer Seite bist und nicht der „Gegner“, der Anweisungen gibt.
  6. Du verweichlichst dein Kind nicht, wenn du nicht mit Strenge und Schimpfen durchsetzt, was du willst. Unsere Erziehung und die in vielen Generationen vor uns war sehr auf Gehorsam ausgerichtet. Machen, was einem gesagt wird. Das ist ein gutes Kind. Aber wer zu streng ist, bricht eher den Willen seines Kindes. Besser ist es doch, den Kids beizubringen, von sich aus kooperieren zu wollen. Das ist nicht einfach, wird aber auf lange Sicht dazu führen, dass sie an den Abendbrot-Tisch kommen, ohne dass du es zehnmal sagen musst.

 

 

 

 

 

 

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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